Auch wenn es mich nervt, dass die Debatte dauernd um „Sex“ und „Flirten“ dreht, statt um Sexismus als Machtproblem, habe ich bisher über den Zusammenhang wie der Sexismus den Flirt für manche „kaputt“ macht nichts gelesen (das heißt nicht, dass es nichts gibt – ich les auch nicht alles ), und mache dann jetzt doch nochmal die Erklärbärin:
Ich habe ein langes Gespräch mit meinem cis-männlichen Mitbewohner gehabt. Über die Cis-Männer, die unter einer Verunsicherung leiden, wie sie jetzt „Frauen“ ansprechen dürfen. Und hier in meinem Text geht es jetzt wirklich nur darum, um „ansprechen“ und „flirten“ – nicht um Belästigen, Übergriffig werden und meinen, mann hätte ein Recht auf etwas.
Wenn ich im Folgenden „Männer“ und „Frauen“ schreibe, dann meine ich damit Cis-Männer und Cis-Frauen und die dazugehörige Sozialisierung.
Erstmal glaube ich, dass diese Männer nicht unter „dem Feminismus“1, sondern ebenfalls unter Sexismus, als strukturellem Problem, leiden. Denn sie leiden darunter, dass nun deutlich gesagt wird, dass Mackern nicht gewollt ist. Bevor dass deutlich gesagt wurde, haben sie entweder „mackern“ akzeptiert oder unter Zweifeln gelitten, dass Frauen quasi gezwungen – nicht ehrlich freiwillig – mit ihnen mitgingen oder dass Frauen ihnen generell ängstlich begegnen. Und/oder, dass von ihnen erwartet wurde, „zu mackern“, obwohl das vielleicht gar nicht ihres ist. Das ist Sexismus.
Der Feminismus als Weg zu einer gleichberechtigten Gesellschaft produziert also ein Verunsicherungsproblem: welche Umgangsformen sind respektvoll und nicht objektivierend gegnüber Frauen? Das wurde vielen Männern erstmal tatsächlich nicht beigebracht, da wir in einer sexistischen Gesellschaft leben. Diese Männer leiden also unter Sexismus, nicht unter Feminismus.
Meine Antwort auf die meisten „Wie soll ich denn…?“ – Fragen in Bezug auf Frauen ist „Frag sie!“: Frag: „Kann ich mich neben dich setzen?“ „Darf ich mich zu dir stellen?“ „Darf ich dir ein Kompliment machen?“ „Darf ich dir einen Kaffee mitbringen?“ etc. Diese Fragen schaffen Raum: Raum für „Ja“ und „Nein“. Ganz wichtig ist, dass ein „Nein“ akzeptiert wird.
Und hier wird es spannend:
Ja, es gibt Menschen, die sagen „Ja“ und meinen „Nein“. Das Frauen das anscheinend häufiger machen sollen – wie häufig das ist kann ich nicht sagen, aber ich gehe jetzt mal von Berichten und Erfahrungen aus meinem Umfeld aus – liegt daran, dass es ihnen häufig so beigebracht wurde. Dass ihnen beigebracht wurde nicht „nein“ zu sagen, erst Recht nicht laut, und ganz besonders nicht zu einem Mann oder älteren Menschen. Das ist kein Respekt, den Frauen da gelehrt bekommen, das ist Sexismus. Frauen bekommen in ihrer Sozialisierung nicht „Nein“ gelehrt2. Aber genau dagegen kämpfen und arbeiten viele Frauen und viele Feministinnen. Sich gegenseitig zum Nein ermutigen, Töchter zum Nein ermutigen, Schwestern, Freundinnen etc. Und nicht zum Ja, gezwungen lächeln und eigentlich „Scher dich zur Hölle!“ denken. Frauen versuche da, den in sich sozialisierten Sexismus zu bekämpfen. Es ist nämlich ganz schön krass Dinge in sich zu haben, die sich gegen einen selbst richten.
– Und mir geht es hier nicht um „wehren“ gegen sexistische Übergriffe (dazu ganz unten), sondern um ein „Nein, ich möchte nicht.“ gegenüber einer freundlichen und respektvollen Frage. --
Die andere Seite ist die: das Risiko „Nein“ zu sagen ist für die meisten Frauen extrem hoch! Als Frau überlege ich mir dreimal, ob ich dem Typen jetzt nein sage, oder was das für Konsequenzen für mich hat: er hört nicht drauf und macht weiter, er wird wütend, vielleicht ausfallend, bis hin zu Ich verlier meinen Job, es startet eine landesweite Verleumdungskampagne… Das heißt ein „Nein“ muss von Männern – wenn sie den Sexismus wirklich nicht wollen – immer (!) akzeptiert werden und keine negativen Folgen für die Frau mit sich bringen. Dann können Frauen darauf vertrauen, dass ein Nein akzeptiert wird und müssen keine Angst haben, nein zu sagen, wenn sie nein meinen. Dann heißt Nein – Nein und Ja – Ja.
Das mit dem Fragen bleibt schwer, das will ich gar nicht schmälern. Menschen ansprechen und flirten ist schwer. Und in einer Welt, in der verdammt viele sexistische Idioten rumrennen tatsächlich schwerer für viele Männer und für viele Frauen, da viele Frauen – vollkommen zurecht – schon total genervt sind (und genervt ist noch wenig).
Und ich glaube sogar Männern, die mir sagen, dass sie diese Empathie von der gesprochen wird, nicht haben und das für „Magie“ halten – es wurde ihnen nicht beigebracht, Frauen als gleichrangige Subjekte wahrzunehmen und es wurde ihnen keine Empathie gegenüber Frauen beigebracht, sondern ihnen wird oft beigebracht, dass Frauen nicht logisch denken etc3. Ihnen wurde beigebracht „Frauen sind so und Männer so“. Das ist Sexismus.
Doch ich glaube, da ist die Aufgabe jetzt nicht, herauszufinden, wie mann Frauen denn jetzt „richtig“ anspricht, oder wie „mann“ das fühlen lernt, dass hier Einverständnis vorliegt. Die Aufgabe ist jetzt: stärkt euch den Rücken darin, dass es ok, ist dass es sich komisch anfühlt, sie zu fragen, ob man sie küssen dürfe. Dass es weh tut, wenn man einen Korb bekommt4. Dass es aber lohnt weiterzumachen, zu fragen etc. Stärkt euch den Rücken, „neue“ Bilder von Männlichkeit zu schreiben, abseits vom Macho. Übt die Situation, wenn es hilft. Fragt Freundinnen um Rat. Hört ihnen zu. Stärkt euch den Rücken gegen Sexismus, gegen die eigene Sozialisation.
In Räumen, in denen ich die Gewissheit habe, dass die Menschen um mich herum mein Nein akzeptieren (oder es geächtet wird, dass sie es nicht tun), fühle ich mich übrigens sicher und gut, und flirte gerne. Weil es risikofrei ist. Es kann sich ein Raum entwickeln, in dem ich jederzeit sagen kann: so, jetzt möchte ich nicht weiter. Oder eben weitergehen kann, wenn ich möchte. Das ist schön und fühlt sich gut an. Ich wünsche mir, dass unsere Gesellschaft irgendwann so ein Raum wird.
- Den es so einheitlich überhaupt nicht gibt. [zurück]
- Und selten ein selbstbestimmtes freudvolles Ja zu sich selbst – gleiche Baustelle. [zurück]
- Ich denke da ständig an „Frau-Deutsch, Deutsch-Frau“ – nur als Beispiel. [zurück]
- So ein Korb muss übrigens überhaupt gar nichts mit der Person die flirtet zu tun haben, sondern kann auch einach nur sein, weil sie heute keinen Lust mehr auf Sozialkontakte hat. [zurück]
Zu dem in letzten Tagen oft vorgetragenenen „Argument“, Frauen sollen sich doch „wehren“ steht hier schon ein hervorragender Text. Ich finde dieses „soll sich doch wehren“ ebenso absolut fatal.
Ich kann keinen anderen Grund finden, dass Menschen das sagen, außer
a) sie glauben, sie seien nicht, niemals und wären nie sexistisch, sodass sich ihnen gegenüber keine Frau „wehren“ müsse, sondern nur gegenüber „Arschlöchern“. Das ist glaube ich meistens falsch. Wir leben in einer sexistischen Gesellschaft und in der sind wir alle immer mal wieder alltagssexistisch – ganz oft total ungewollt und ganz oft tut es uns, wenn wir es merken hinterher sehr leid. Nichtsdestotrotz kann ein hier sozialisierter Mensch nicht einfach sagen „Ich bin nie sexistisch.“
b) sie glauben Männer können nicht anders als sexistisch zu sein und können in der Hinsicht auch keine Sensibilität entwickeln, sondern bleiben immer „triebgesteuert“ (wir hatten da in den letzten Tagen diverse Tierbeispiele zu) – dieses Menschenbild teile ich nicht. Die Einteilung in „Männer sind so“ und „Frauen so“ übrigens auch nicht.
c) sie halten das für den richtigen kommunikativen zwischenmenschlichen Umgang: Belästigen – Wehren… und diese Idee von zwischenmenschlicher Kommunikation teile ich nicht. Ich hätte folgende Konversation (zwischen zwei Männern in einem Cafe) gerne so: „Entschuldigung ist der Platz neben ihnen noch frei?“ „Nein, tut mir leid, der ist schon besetzt.“ „Oh, na gut.“ statt so: Mann 1 setzt sich ohne zu fragen und Blickkontakt aufzunehmen auf den freien Stuhl „Ähm, entschuldigung, da ist schon besetzt. Sie müssen sich woanders hinsetzen.“ „Ich bleib hier sitzen.“ „Du Arschloch. Verpiss dich gefälligst. Hau ab, oder ich hau dir eine rein.“ Das ist deutliches wehren, aber ich habe auch krasse Vorschläge zum wehren in den letzten Tagen gehört. Die den sehr krassen Übergriffen total gerecht werden – aber einfach nicht nötig sein sollten. Warum das zwischen Mann und Frau anders laufen will ist mir nicht klar, außer man zieht b) in Betracht.
d) sie wollen einfach verteidigen, dass sie sexistisch sein wollen, und Opfer von Sexismus sollen das doch bitte mittragen. Und die Verantwortung läge bei den Opfern. Diesen Wunsch teile ich nicht nur nicht, den akzeptiere ich auch schlicht nicht.